Messe Leipzig 2006

Antworten
Benutzeravatar
Andi
OT-Profi + Anwender
Beiträge: 95
Registriert: Mo Okt 10, 2005 21:24
Postleitzahl: 0
Land: Deutschland
Wohnort: Bremen

Messe Leipzig 2006

Beitrag von Andi » So Mai 14, 2006 22:29

Hallo zusammen,

war einer von euch in Leipzig auf dem Publikumstag?
Währe schön, wenn ihr als Anwender mal eure Eindrücke hier schildern könntet. Ich glaube, das ein Großteil der Fachwelt hier mitließt und vielleicht über etwas Feedback von Nichtfachleuten dankbar wäre.

Von Charley weiß ich, das er da war. Konnte ihn aber leider nicht treffen, schade. Aber vielleicht kannst du mal kurz deinen Eindruck über die Show und deine Gefühle dabei schildern.

Auch wenn ich seit meiner eigenen Amputation, vor nun schon 11 Jahren, immer versucht habe, dieses Problem als ein technisches zu betrachten, so ist es doch nicht so, daß das alles so spurlos an mir vorrüber geht.

Das ist für mich keine emotionslose Technik! Wenn mann mal alles politische und kommerzielle aus der Sache ausklammert und sich klahr macht, was man da eigentlich tut, dann ist das schon Wahnsinn. Wenn man weiß, was die Produkte unserer täglichen Arbeit für den Einzelnen bedeuten, dann kann man diesen Beruf eigentlich nur lieben.

Aller Glämmer und Hochglanz kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Meiste was dort gezeigt und mit großem Aufwand demonstriert wurde mit der realen Versorgungswirklichkeit nicht viel zu tun hat.

Wir erleben grade, auf dem prestigeträchtigen Gebiet der Prothetik, einen Kampf zweier Giganten um die Technologie- und Innovationsführerschaft. Was am Ende für den einzelnen Betroffenen dabei herrausspringen kann, ist meiner Meinung nach noch nicht so ganz abzusehen.

Aber meine Nachlese darüber ist noch nicht abgeschlossen, ich denke weiter darüber nach und suche noch die passenden Formulierungen.
Also, schreibt eure Meinungen, ich bin sehr gespannt.
MFG Andi
"Alle beschriebenen Aspekte haben Modellcharakter und sollen zum weiteren Nachdenken anregen." (Zitat BUFA-Seminarunterlagen)

jba
Anwender
Beiträge: 18
Registriert: Mi Mär 01, 2006 16:04
Postleitzahl: 0
Land: Deutschland
Kontaktdaten:

Beitrag von jba » Di Mai 16, 2006 09:31

Hi!
Wie wichtig Wettbewerb ist daran zu sehen, was sich seit 1997 entwickelt hat.
Leider wird bei der Projektplanung und Entwicklung viel zu schnell im Vorfeld auf realisierbaren ebit geschaut (dies gilt nicht nur healthcare Bereich!). Totrechnen kann man alles und jedes im Vorfeld. Darum ist es m.E. richtig und wichtig zu demonstrieren was möglich ist und erst im 2. Schritt zu prüfen was z.Zt. im Markt realsierbar ist. Ggf. läßt sich eine Lösung für den breiteren Markt anpassen.

Für high tech Lösungen gilt m.E. gleiches wie bei Automobilen. Alle Autos können nichts weiter als fahren. Es differenziert sich in Bequemlichkeit, Leistungsfähigkeit und Bauart für das gewünschte Einsatzgebiet. Budgetabhängig sind die pers. Präferenzen abzuwägen. -Ein Ferrari ist nicht für jeden Einsatzzweck und für jeden Geldbeutel geeignet.- Ählich ist es mit der Prothetik.
Wenn von der Industrie schon high tech Produkte zu Verfügung gestellt werden, sollte man doch nicht den Anspruch haben, das es für alle geeignet, sinnvoll und bezahlbar ist. - Jedes Angebot schafft sich seine Nachfrage (Saysches Theorem)

Benutzeravatar
Andi
OT-Profi + Anwender
Beiträge: 95
Registriert: Mo Okt 10, 2005 21:24
Postleitzahl: 0
Land: Deutschland
Wohnort: Bremen

Beitrag von Andi » Di Mai 16, 2006 21:18

Hallo,

äh, was hat sich denn seit 1997 entwickelt? Mir fällt da nur ein, C-Leg, viele zweifelhafte Ansätze und fehlerbelastete Produkte die zum Großteil schnell wieder verworfen wurden und ganz viel negative Marktentwicklung inklusive verschärftem Verdrängungswettbewerb. Karl Marx würde es warscheinlich "fortschreitende Monopolisierung" nennen.

Hat es vor 1997 denn keinen Wettbewerb gegeben? Ich bin noch nicht so lange Amputiert und erst seit ´97 im Beruf, was ist denn so grundlegend anders geworden nach deiner Meinung?

So wie du es sagst, hast du wohl Recht aber ist das nicht auf jeden Fall der "amerikanische Weg"? Schließlich handelt es sich hier um Medizinprodukte denen der gewisse Humanismusgedanken des Heilens zugrunde liegt. Ist diese rücksichtslos fortschreitende "Preis- und Leistungsdifferenzierung" nicht auch eine Form von Ausgrenzung? Sollte es nicht eigentlich um Integration gehen, ist das nicht der große Anspruch der gesamten Branche?

Dem "Otto Normalanwender" das zur Zeit technisch machbare als ab sofort käuflich zu präsentieren, ist natürlich geeignet einen Bedarf zu erzeugen. Für die meisten Anwender bleiben es aber allein aus medizinischer Sicht falsche Versprechungen. Meine Befürchtung ist, werden damit nicht falsche Hoffnungen gemacht und Enttäuschung vorprogrammiert?
"Alle beschriebenen Aspekte haben Modellcharakter und sollen zum weiteren Nachdenken anregen." (Zitat BUFA-Seminarunterlagen)

jba
Anwender
Beiträge: 18
Registriert: Mi Mär 01, 2006 16:04
Postleitzahl: 0
Land: Deutschland
Kontaktdaten:

Beitrag von jba » Do Mai 18, 2006 08:40

Hi!
Nichts getan??? Liner mit Pin, Verträglichkeit der Materialien, Seal-In, neue Schaftformen, div. neue Gelenke, neue Materialien, neue Passteilkombinationen, elektr. Steuerungen, aktive Fußgelenke (mechanisch/elektronisch), etc.

Fehlentwicklungen passieren. Gute Produkte zur falschen Zeit scheitern. Zumal dann noch Marketingfehler passieren, weil sie mit mangelnder Markreife präsentiert werden. - Aber auch das ist nicht falsch, denn dadurch wurden vielleicht andere motiviert die Idee aufzugreifen und zu verbessern?!

Entscheidender ist, das sich jetzt viel mehr Leute mit der Prothesentechik beschäftigen und an Lösungen arbeiten. Nachbau hin oder her. Letztlich belebt es die Branche. Erkannt wurde, das hier ein Innovationsbedarf ist und Mark vorhanden ist.

Und noch einmal; nicht alles was neu ist muß auch für jeden geeignet sein. Sozialistisches Gedankengut ist per se zum Scheitern verurteilt - im Gesundheitswesen erst recht!- Humanisum OK; Grundrecht auf Freiheit auch. Läßt sich daraus eine Anspruch auf einen Porsche ableiten?

Z.B. PowerKnee ist sicher eine gute Sache, bis zur Markreife wird es aber m.E. noch dauern. Die gezeigten Bewegungsabläufe können andere Gelenke z.T. besser. Aber es ist ein *p* von Herstellern daran zu arbeiten.

Das russische "C-Leg" gesehen?? Das ist auch high tech und preislich eine völlig andere Dimension!

Christian
OT-Profi
Beiträge: 72
Registriert: Fr Aug 26, 2005 17:27
Postleitzahl: 0
Land: Deutschland
Wohnort: Bremen

Beitrag von Christian » Do Mai 18, 2006 09:53

...ja wird spannend. Was das Russische Teil angeht, schon interessant, aber wartet mal ab, bis das in der EU vermartet wird. Spätestens, wenn sich eine Firma findet, die das Teil auf dem europäischen Markt vertreibt werden die Kosten um einiges Steigen, da dazwischen ja noch die Zulassungsprüfungen stehen...

Benutzeravatar
Andi
OT-Profi + Anwender
Beiträge: 95
Registriert: Mo Okt 10, 2005 21:24
Postleitzahl: 0
Land: Deutschland
Wohnort: Bremen

Beitrag von Andi » Sa Mai 20, 2006 10:50

Hallo,
Nichts getan??? Liner mit Pin, Verträglichkeit der Materialien, Seal-In, neue Schaftformen, div. neue Gelenke, neue Materialien, neue Passteilkombinationen, elektr. Steuerungen, aktive Fußgelenke (mechanisch/elektronisch), etc.
Meine erste Prothese mit Liner und Pin bekam ich im Frühjahr ´96. Die Grundidee dieses Systems ist für US-Prothesen bestimmt schon 15 Jahre alt. Für OS-Prot. hat es etwas länger gedauert ist aber auch schwieriger und nicht der Weisheit letzter Schluß.

Bei den Materialien hat sich für Liner in Sachen Polyurethan und Copolymere einiges getan aber alle anderen sogenannten "Hi Tec"-Materialien gab es vorher schon auch in der OT.

SealIn ist eine interessante Lösung und bei OS-Amputierten wesentlich beliebter als Pin-Liner aber Preis und Haltbarkeit lassen noch Wünsche offen. Zumal es auch aus medizinischer Sicht einige Bedenken gibt. Schau dir mal die Stumpfenden von SealIn-Trägern an, alle sind rötlich-violett verfärbt. Das ist leider kein Zeichen von besonders guter Durchblutung. Langzeiterfahrungen über eventuelle Folgeschäden werden da allerdings erst in einigen Jahren bis Jahrzehnten vorhanden sein. Ein nur am Stumpfende saugendes System würde ich nicht unbedingt als Vollkontaktschaft bezeichnen.

Neue Schaftformen gibt es wohl, hat es aber auch früher immer gegeben. Die Längsovale Schaftform stammt aus dem Ende der 80er bis Anfang der 90er Jahre. Daraus haben sich auch viele "Hybridformen" entwickelt, deren Entstehungsgeschichte z.T. etwas abenteuerlich ist. Die M.A.S.-Geschichte scheint mir ein guter nächster Schritt zu sein aber das muß erstmal auch den Kassen verständlich gemacht werden.

Bei diversen neuen Gelenken tut sich in erster Linie das C-Leg hervor dessen Siegeszug tatsächlich 1997 begann.Aber das erste aktive elektronich gesteuerte Fußgelenk habe ich letzte Woche in Leipzig gesehen. Ist dir da noch eine andere Lösung bekannt? Wenn ja dann hätte ich bitte unbedingt mehr Information darüber!

Der ProprioFoot war für mich das echte Hilight der Messe.

Das russische Teil ist mir leider nicht aufgefallen, schade, kann ich leider nichts zu sagen.
MFG Andi
"Alle beschriebenen Aspekte haben Modellcharakter und sollen zum weiteren Nachdenken anregen." (Zitat BUFA-Seminarunterlagen)

Benutzeravatar
Andi
OT-Profi + Anwender
Beiträge: 95
Registriert: Mo Okt 10, 2005 21:24
Postleitzahl: 0
Land: Deutschland
Wohnort: Bremen

Beitrag von Andi » Sa Mai 20, 2006 12:28

Ach, da bin ich wieder.

Das Famielienleben erfordert manchmal eine längere Unterbrechung meiner Gedanken und Beiträge, sorry. :?

Die These der großen Veränderungen seit ´97 hat mir übrigens keine Ruhe gelassen und ich habe sie mal unter den erfahreneren Kollegen, die diesen Beruf schon länger ausüben als ich, zur Diskussion gestellt. Die erste Antwort die kam, "die Löhne wurden eingefrohren."
Das deckt sich eigentlich mit meinen Erfahrungen und Beobachtungen. Aber aus mir spricht sicher nur der pure Egoismus und die maßlose Gier :oops: , also hoch lebe die Marktwirtschaft grade im Gesundheitswesen und die Verlierer derselben sollen sich nicht so anstellen. Wo soll schließlich der Fortschritt herkommen und anderen geht es genauso oder noch schlimmer.

O.K., an diesen Entwicklungen können wir nichts ändern, aber wir müssen sie ja nicht immer gutheißen.
MFG Andi
"Alle beschriebenen Aspekte haben Modellcharakter und sollen zum weiteren Nachdenken anregen." (Zitat BUFA-Seminarunterlagen)

Antworten