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Amputation? ...aus der Sicht einer Angehörigen

Verfasst: Mi Mär 26, 2014 11:50
von haselmaus
Hallo,

ich hoffe, ihr könnt mir einen Rat geben. Alles was ich bislang über Amputationen weiss, hab ich von Ärzten oder aus dem Fernsehen. Deswegen dachte ich, es ist am besten, ich frage mal jemanden, der sich wirklich mit dem Thema auskennt.

Unsere aktuelle Situation ist die folgende:

Mein Mann hat aufgrund eines Unfalls einen völlig kaputten Fuß. Er lebt damit seit vielen Jahren, der Zustand des Fußes verschlimmert sich aber immer weiter.
Mittlerweile ist Gehen fast unmöglich!

Der behandelnde Arzt hat uns jetzt 3 Möglichkeiten aufgezeigt:
A) Rollstuhl
B) eine riskante experimentelle OP, mit mäßigen Erfolgsaussichten und langer Heilphase, Schmerzproblem würde nur gemildert, nicht behoben
C) Amputation

Ich weiss was ich tun würde, wenn ich an seiner Stelle wäre. C, Amputation. Diesen Fuss, der seit Jahren nur Schmerzen verursacht, austauschen gegen eine Prothese und so vielleicht etwas Lebensqualität und Mobilität zurückgewinnen.

Nur leider bin ich nicht an seiner Stelle. Ich traue mich kaum, ihm was zu raten.

Zusätzliches Problem ist, dass mein Liebster panische Angst davor hat, wie soll ich sagen, "versehrt" zu sein. Er hat wohl bei der Vorstellung einer Amputation 2WWK-Soldaten vor Augen. Da nützt es nichts, wenn ich sage, dass sich die Medizintechnik in den letzten 70 Jahren weiterentwickelt hat.

Ich wäre sehr dankbar, wenn mir jemand, der mit einer Prothese lebt, mir schildern könnte, wie das ist. Ob ich damit recht habe, eine Prothese (es wäre dann wohl Unterschenkelstumpf) für eine gute Idee zu halten oder ob ihr auch versuchen würdet, den Fuss unter inkaufnahme von lebenslangen Schmerzen zu retten?

Vielen Dank,

Helena

Re: Amputation? ...aus der Sicht einer Angehörigen

Verfasst: Mi Mär 26, 2014 21:23
von charley
Es ist nicht leicht, hier einen Rat zu geben. Aber ich kenne mehrere Personen, die in einen vergleichbaren Lage waren, sich nach langem Zögern und Leiden für die Amputation entschieden haben und heute schmerzfrei ihr Leben genießen. Mit einer ordentlichen prothetischen Versorgung kann der Verlust eines Fußes heutzutage sehr gut kompensiert werden.

Viele Grüße
Charley

Re: Amputation? ...aus der Sicht einer Angehörigen

Verfasst: Do Mär 27, 2014 09:37
von Piper75
Hallo, wie sich dein mann auch entscheidet, schlimmer kanns nicht werden.
Mein Bein hat mir auch nur Probleme gemacht, seit es ab ist, gehts mir besser.
Bloss keine riesen Panik vor Phantomschmerzen, zwei Wochen hats bei mir gedauert, bis sie weg waren. Mit List und Tücke vertrieben.
Klar ich hab heute noch Gefühl in dem was da war, aber das ist nur kribbeln, kein Schmerz.
Es geht nur um einen Fuß, das wird nur jemand erkennen der ständig damit zu tun hat, wenn er geht.

Es wird sich nichts ändern für euch, ihm fehlt doch nur ein Fuß. Dein Mann wird sich ändern, mit Sicherheit, aber nur weil die Schmerzen ein Ende haben.
Ich drück euch die Daumen, dass alles wieder schick wird.

Re: Amputation? ...aus der Sicht einer Angehörigen

Verfasst: Do Mär 27, 2014 11:12
von haselmaus
Piper75 hat geschrieben:
Dein Mann wird sich ändern, mit Sicherheit, aber nur weil die Schmerzen ein Ende haben.
das war die stelle, als ich in tränen ausbrach.

oh, ich hoffe so sehr, dass alles gut wird!!

Re: Amputation? ...aus der Sicht einer Angehörigen

Verfasst: Do Mär 27, 2014 11:46
von Piper75
oh ich wollte nicht das du weinst.
Aber Tatsache, was ist das fürn Mist mit Schmerzen und Wut auf die Situation, nix mehr zu machen,
nervig für Familie und Freunde zu sein, weil man sich als unnütz und als Balast empfindet.
Ich weiss ja wovon ich rede.
Für die Angehörigen ist es manchmal noch schwerer, Hilflos daneben zu stehen.
Aber manchmal braucht man nen Tritt in den Hintern, sonst ändert sich nix.

Wir haben mein Bein mit ner Party verabschiedet, jeder durfte seine Wut drauf schreiben.
Im OP haben die wahrscheinlich grosse Augen gehabt.

Auch wenns manchmal schwer ist, bereut hab ich es nicht.
Es geht immer bergauf und mit Humor auch leichter.

Re: Amputation? ...aus der Sicht einer Angehörigen

Verfasst: Do Mär 27, 2014 19:14
von haselmaus
das weinen war ja ganz befreiend.
ich wünsche mir so sehr, dass die schmerzen aufhören und ich meinen mann "wiederbekomme". das war so treffend formuliert.

als angehöriger ist es wirklich schlimm, daneben zu stehen. ich wünschte, ich könnte die schmerzen für ihn ertragen. man fühlt sich so hilflos.
und bestimmt fühlt sich mein mann auch manchmal so, wie du das schilderst. unnütz und so.
ich möchte ihm so gerne klarmachen, dass ich ihn liebe, und nicht seinen fuss oder sein idealbild von einem "intakten mann" der "mit beiden beinen" im leben steht.

leider können wir nicht richtig darüber reden. er blockt total ab.

ich habe große angst, dass er sich für einen anderen weg entscheiden wird. angst, vor dieser sinnlosen, riskaten OP, vor der langenen reha-phase und vor weiteren schmerzen.

ich wünsche mir, dass er den mut aufbringt, seine ängste zu überwinden.

und dann fahren wir endlich zusammen in den urlaub und erleben wieder was zusammen!!

Re: Amputation? ...aus der Sicht einer Angehörigen

Verfasst: Fr Mär 28, 2014 08:28
von Piper75
Hallo, na klar fahrt ihr wieder in den Urlaub. Ich empfehle die schöne Insel Usedom. :)

Ich konnte mit meinem Mann auch nicht so wirklich reden, wies mir geht wie es sein wird.
Wir haben über mein Stummel und dem ganzen drumherum per sms alles ausdiskutiert. Und das hat super funktioniert.
Niemand hat den anderen weinen sehen, was wir Mädels ja gerne tun, doch konnte ich alles sagen was ich dachte.
Wie ich das empfinde, wovor ich Angst habe.

Nur weil ein Körperteil fehlt ist man kein *K*, sieh dir das Forum an. die meisten sind trotzdem glücklich und tuen das was ihnen Spass macht.

Heute freue ich auf mein neues bein, überlege welche Farbe es kriegen soll.




Der Sensenmann saß an meinem Bett, er wollte mich und mein Leben, gekriegt hat er nur mein Bein.

Re: Amputation? ...aus der Sicht einer Angehörigen

Verfasst: Fr Mär 28, 2014 21:35
von Nickname
Es ist wirklich schwer hier einen guten Rat zu geben. Mit einer Prothese kann man laufen, schmerzfrei! Eine Unterschenkelamputation ist sowieso einer der besten Möglichkeiten. Im Grunde fehlt ja ''nur'' ein Fuß, welcher sich ausgezeichnet durch eine gute Prothese ersetzen lässt. Ich kann mir sehr gut vorstellen wie sich das jetzt anhören mag.. Das liegt wohl daran, dass ich mich an meine Situation so gewöhnt habe, dass es mir absolut nichts mehr ausmacht.
Jedoch gehöre ich zu einer dieser Menschen, die zunächst jeden Weg gegangen wären, um das Bein zu retten. Hätte ich damals die Möglichkeit gehabt mich zu entscheiden, hätte ich wahrscheinlich Möglichkeit B gewählt. Und das liegt an einer Sache: - Naütlich bin ich mit meinem Leben verdammt zufrieden, aber es gibt Tage/Wochen, an denen ich nicht auf der Prothese laufen kann und dann geht es mir nicht so gut. Und wenn ich dann daran denken würde, dass ich möglicherweiße eine Chance gehabt hätte, mein Bein zu behalten, würde ich wahrscheinlich daran kaputt gehen. -
So eine Person bin ich eben. Ich hoffe dein Mann gehört nicht dazu.
Wahrscheinlich ist die Amputation der bessere und schnellste Weg wieder vollkommen Gesund und schmerzfrei zu sein. Wahrscheinlich würdet ihr viel eher in den Urlaub fahren können und das Leben wieder genießen. Möglich ist es auf jedenfall. Aber es gibt dann eben Tage, an denen dein Mann denken könnte, er habe nicht alles versucht. ICH kann sagen, es blieb nichts unversucht, man hat alles für mein Bein getan und ich hatte die besten Ärzte, und das baut mich sehr auf.
Diese Entscheidung kann euch keiner abnehmen.. Ich wünsche euch alles gute!!!

Re: Amputation? ...aus der Sicht einer Angehörigen

Verfasst: Fr Mär 28, 2014 22:47
von Plattenbaujunge
Ich kenn das Problem stand vor einer ähnlichen Situation. Mit 13 erkrankte ich an einen Knochentumor im rechten Knie (ich lass im ganzen Text mal medizinische Fachbegriffe für das leichtere lesen weg) und es gab für mich 3 Optionen:

1. Amputation des OS
2. Umkehrplastik (der Fuß wird amputiert und wird als Knie eingesetzt)
3. Beinerhaltende Operationen, mit künstlichen Kniegelenk und Schienbein.

Variante 2 fiel für mich und meine Familie gleich raus. Hatte ästhetische Gründe, hätte mich auch nie damit abfinden können, dass mein Fuß auf einmal mein Knie ist. Variante 1 fiel nach kurzer Überlegung auch raus, ging schließlich um ein fast komplettes Bein. Also entschied ich mich für Variante 3. Nach der Operation fing ich gleich an, mit dem künstlichen Knie laufen zu lernen. Problem war nur, durch die ganzen Chemo´s (18 Stück insgesamt) war das Immunsystem komplett im *a* und ich hatte offene Stellen im Knie und Wadenbereich. War dann fast ein komplettes Jahr bettlegerisch, aufgrund der offenen Stellen hatte ich natürlich Bakterien und Keime an den Gelenken. Nachdem ich die Chemotherapie überstanden habe, musste natürlich das Kniegelenk und das Schienbein ausgetauscht werden. Da meine Haut ganz dünn war, und eine Hauttransplantation vom Rücken nicht in Frage kam, wusste ich nicht, ob ich nach der OP noch ein Bein habe oder nicht. War schon ziemlich verrückt. Glücklicherweise konnte das Bein erhalten werden. Ich war damals 14 Jahre und musste das Knie bei einer Beugemaschiene wieder belasten. Das waren damals höllische Schmerzen und ich habe mich gegen dieses Ding gewehrt. Letztendlich konnte ich das Knie gar nicht mehr beugen und bin einem steifen Bein durch die Weltgeschichte gelaufen. Da das Knie versteift war und mit der Kniescheibe verklebt war, konnten die Körperflüssigkeiten nicht zum Fuß abfließen. Das hieß, ich hatte wieder im Kniebereich offene Stellen und logischerweise wieder Bakterien und Keime. Bin zwei Jahre lang mit einem offenen Bein gelaufen. Dann habe ich den Entschluss gefasst, dass Bein amputieren zu lassen. Bin zum Arzt gegangen und ihm meine Entscheidung mitgeteilt (Er war heilfroh, dass ich mich so entschieden habe, denn an dem Tag wollte er es mir mitteilen, dass es keinen anderen Weg als die Amputation gibt. Ich hab ihm quasi diese Übermittlung dieser Nachricht abgenommen). Nun habe ich seit September 2006 eine Prothese (komme damit auch recht gut klar) und hätte mir 4 Jahre voller Qualen mir ersparen können. Aber im Nachhinein bin ich weiterhin der Meinung, ich habe alles richtig gemacht. Ich will nicht wissen, welche Vorwürfe ich mir heute an schlechten Tagen gemacht hätte. Ich habe alles versucht, die Beinerhaltenden Maßnahmen sind gescheitert und letztendlich wollte ich die Amputation und habe bis jetzt nicht einmal mein Bein hinterher getrauert. Vielleicht braucht man im Vorfeld die negativen Erfahrungen um sagen zu können „nehmt mir das Bein ab und gut“.

Aber in eurem Fall ist es verdammt schwer einen Rat abzugeben. Natürlich ist die Amputation die einfachste und sicherlich auch beste Variante, aber wenn man selbst als Patient davon nicht überzeugt ist und er sich letztendlich gegen die zukünftige Prothese wehrt, habt ihr auch nichts gekonnt. Lass ihn vielleicht noch etwas Zeit, es wird sich schon (richtig) entscheiden.

Re: Amputation? ...aus der Sicht einer Angehörigen

Verfasst: So Apr 27, 2014 09:19
von Karline
Hallo,

bei mir war es auch der Fuß.
Als Frau wurde mir klar, dass ich mit dem Fuß nie wieder richtig und schmerzarm laufen könnte.
Ich kannnte eine Frau, die mit Absatzschuhen und us-Prothese unauffällig lief.
Deshalb war ich schon zu einer us-amputation bereit, bevor die Ärzte die Diagnose Krebs stellten.

Da sie aber zu dieser Diagnose erst spät kamen, musste eben das Knie mit dran glauben.

Das war ein großes psychisches Problem, hab ich aber überwunden.
Ich kann mit c-leg unauffällig gehen, hab einen Schatz und guten Job....allerdings ohne Absatzschuhe

Das reicht zum glücklich sein.

Meine Empfehlung brauch ich wohl nicht noch deutlicher formulieren.

Man hat aber eben kaum passende Gesprächspartner und ist allein damit.

Desahlb soll er doch aufschreiben, was er für Probleme sieht und dann hier darüber reden.

du wirst sehen, es ist alles lösbar.

einen schönen sonntag
Karline

Re: Amputation? ...aus der Sicht einer Angehörigen

Verfasst: Di Jun 03, 2014 15:55
von Harald
Hallo, Helena,

auch ich antworte aus Sicht eines "Angehörigen", denn ich lebe seit fast 10 Jahren mit einer beinamputierten Frau zusammen. Sie hat im Alter von 16 Jahren das rechte Bein im Oberschenkel durch Krebs verloren. Sie hat geheiratet und einen Sohn bekommen. Seit ihr Mann verstorben ist, leben wir zusammen. Somit habe ich einiges mitbekommen, was es heißt, amputiert zu sein.
Ich weiß nicht, wie alt ihr seit, wir sind um die 60. Wir reisen, wir gehen schwimmen, wir sind in jeder Hinsicht mobil, und sexuell läuft es auch gut, das fehlende Bein stört uns nicht.
Aus diesen Worten kannst du schließen, wozu ich bzw. wir euch raten würden. Aber es ist keine leichte Entscheidung. Damals bestand keine andere Wahl, das Bein muss ab, hatten die Ärzte ihrer Mutter gesagt, und in der tiefen DDR-Provinz geschah es dann so. Mit einer Holzprothese aus DDR-Zeiten hatte meine Frau einen stark hinkenden Gang, mit einer modernen Unterschenkelprothese sieht man fast nichts mehr, die Füße sind so elastisch gebaut, dass ein normaler Gang ohne Schmerzen möglich ist.
Ich rede so schnörkellos darüber, weil ich als Schüler durch einen Unfall fast einen Fuß verloren hätte, die Stelle sehe ich heute noch. Wahrscheinlich ist sie auch im Kopf noch vorhanden. Wie lange schleppt ihr euch denn schon damit herum? Wie blockt dein Mann denn das Gespräch ab? Die Kriegsversehrten leben doch schon nicht mehr, die kenne ich auch noch unter meinen Kollegen während der Lehrzeit.
Nach unserer Erfahrung ist eine Amputation besser als für immer im Rollstuhl zu sitzen oder sich vieler Operationen zu unterziehen mit ungewissem Ausgang.

Lasst uns in Verbindung bleiben.
LG Harald