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"aG": Bundessozialgericht 10.12.2002

Verfasst: Do Jul 28, 2005 11:26
von charley
Dieser Fall ist zwar mit uns Amputierten nicht direkt vergleichbar; er zeigt aber, dass die Behörden das Merkzeichen aG zum Teil mit haarsträubenden Argumenten verweigern und dass es sich durchaus lohnen kann, den Weg bis zum Bundessozialgericht zu gehen.
Bundessozialgericht entschied: Auch wer nicht im Rollstuhl sitzt, kann "aG" beantragen

02.04.2004: KASSEL (MedCon) Der Zusatz "aG" (für "außergewöhnliche Gehbehinderung") steht längst nicht nur Behinderten zu, die im Rollstuhl sitzen. Wie das Bundessozialgericht in Kassel klar stellte, sind auch Personen, die noch geringe Gehstrecken zurücklegen können, berechtigt, den Hinweis "aG" zu tragen. (AZ: B 9 SB 7/01 R/ Urteil vom 10.12 2002). Das gesundheitliche Merkmal außergewöhnliche Gehbehinderung setze nicht voraus, dass ein Behinderter fast unfähig ist, sich fortzubewegen, so die Richter.

Einem behinderten Mann mit spastischer Beinlähmung und operiertem Spitzklumpfuß, Schwerhörigkeit beidseits sowie Fehlstellung und Verschleißleiden der Wirbelsäule und damit mit einer Behinderung von 100 Grad wurde das Merkzeichen "aG" nicht anerkannt. Die Klage des Mannes wies das Sozialgericht Düsseldorf ab. Das Landessozialgericht NRW lehnte dann die Berufung des Mannes ab mit der Begründung: Der Kläger gehöre nicht zu den in den einschlägigen straßenrechtlichen Vorschriften beispielhaft aufgeführten Gruppen von Schwerbehinderten mit außergewöhnlicher Gehbehinderung.

Dem widersprach das Bundessozialgericht: Das Merkzeichen "aG" stehe keinesfalls nur vollkommen gehunfähigen Personen zu. Die von vielen Gerichten und Versorgungsämtern festgelegte Gehstrecke von 100 Meter stuften die Bundessozialrichter als untauglich ein. Das Merkzeichen stehe vielmehr denjenigen Personen zu, die in ihrer Gehfähigkeit in "ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt" sind und sich nur unter ebenso großen Anstrengungen fortbewegen können. Als Vergleich verwiesen die Richter auf Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte etc., die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind.

Die Abhängigkeit von einem Rollstuhl ist damit nicht mehr die Voraussetzung für das Merkzeichen "aG". Damit erhalten viele gehbehinderte Menschen, die zwar noch gehfähig sind, dies aber nur mit großer Anstrengung oder mit fremder Hilfe können, die Möglichkeit, das Merkzeichen zu beantragen.

Quelle: Bundessozialgericht
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Charley